Überfüllte Notfallpraxen: Was plant Minister Lauterbach?

Mehr Terminservicestellen, Integrierte Notfallzentren, festgelegte Öffnungszeiten und mehr…

Auch wenn Karl Lauterbach nicht unbedingt zu den beliebtesten Politikern der Bundesregierung zählt, eins kann man ihm nicht vorwerfen: Mangelnder Fleiß. Neben der Krankenhausreform doktert der Bundesgesundheitsminister noch an einem anderen „Behandlungsfall“ herum: Am Dienstag, 16. Januar 2024, stellte er seinen Plan für eine „Notfallreform“ vor. Denn wie die Krankenhäuser sind auch die Notfallpraxen chronisch unterbesetzt und teilweise überfordert – u.a. weil viele Fälle keine wirklichen Notfälle sind.

 

Was also will Lauterbach erreichen? „Eine bessere Erreichbarkeit von Ärzten außerhalb der üblichen Sprechzeiten, konkrete Vorgaben für telemedizinische Angebote und Hausbesuche sowie eine engere Kooperation von ärztlichem Bereitschaftsdienst und Krankenhäusern“, erkläre der Sozialdemokrat bei der Präsentation. „Im Notfall sollen Patientinnen und Patienten dort behandelt werden, wo sie am schnellsten und am besten versorgt werden. Das muss nicht immer das Krankenhaus sein. In vielen Fällen ist die notdienstliche Akutversorgung sehr viel sinnvoller. Und häufig reicht auch der Besuch am nächsten Tag in der Hausarztpraxis. Heute sind die Notfallzentren der Kliniken oft überfüllt, auch mit Patienten, die nicht im Krankenhaus versorgt werden müssten.“

 

Konkret bedeutet dies nun:

  • Terminservicestellen sollen ausgebaut und verstärkt werden und sich mit den Rettungsleitstellen vernetzen.
  • Hierzu sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) mit Rettungsleitstellen künftig zwingend kooperieren und eine Überleitung von Hilfesuchenden, je nach Fall, ermöglichen. Zur Förderung der Terminservicestellen werden zusätzliche Mittel durch die gesetzliche Krankenversicherung und die KVen bereitgestellt.
  • Die notdienstliche Akutversorgung wird bundesweit vereinheitlicht. Dazu wird der Sicherstellungsauftrag der KVen konkretisiert. Sie müssen rund um die Uhr eine telemedizinische Versorgung sowie Hausbesuche insbesondere für immobile Patientinnen und Patienten bereitstellen.

 

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  • Die KVen erhalten gesetzlich die Möglichkeit, für den aufsuchenden Dienst auch qualifiziertes nichtärztliches Personal einzubinden oder mit dem Rettungsdienst zu kooperieren (Gemeindenotfallsanitäter). Die ärztliche Kompetenz wird in diesen Fällen durch eine telemedizinische Anbindung dieser Dienste sichergestellt.
  • Um Patientinnen und Patienten im Notfall gleich an die richtigen Strukturen zur Behandlung weiterzuleiten, sollen flächendeckend Integrierte Notfallzentren (INZ) sowie, dort wo es die Kapazitäten zulassen, Integrierte Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ) eingerichtet werden
  • Die Öffnungszeiten der INZ werden gesetzlich festgelegt:
    Wochenende/Feiertage von 9 bis 21 Uhr, mittwochs/freitags von 14 bis 21 Uhr und montags, dienstags und donnerstags von 18 bis 21 Uhr. Abweichungen davon sollen im Einzelfall möglich sein, wenn die notdienstliche Versorgung anderweitig sichergestellt ist.
  • Damit Patientinnen und Patienten nach Behandlung in einer Notdienstpraxis oder bei einem Hausbesuch nicht anschließend noch einmal in eine Hausarztpraxis gehen müssen, nur um eine Krankschreibung zu erhalten, soll auch den INZ sowie dem aufsuchenden Notdienst die Ausstellung der Krankschreibung ermöglicht werden.

Weitere Details

 

Die Bundesregierung wird in Kürze einen Referentenentwurf zur Notfallreform vorlegen. Das Gesetz soll im Januar 2025 in Kraft treten.

 

Und was sagen die Ärzte dazu?

Für die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) erklären der Vorsitzende Dr. med. Frank Bergmann, und sein Stellvertreter Dr. med. Carsten König: „Mit Blick auf die seit Jahren zunehmende Inanspruchnahme der Notdienststrukturen im Land gepaart mit zugleich abnehmenden ärztlichen Ressourcen ist es gut und richtig, dass der Bundesgesetzgeber eine Reform des Systems angeht. Eine stärkere Vernetzung der Akteure in der Notfallversorgung begrüßen wir ausdrücklich. Um unsere Ressourcen effizient zu nutzen und Patientinnen und Patienten die gebotene medizinische Versorgung zukommen zu lassen, ist eine qualifizierte Patientensteuerung unerlässlich. Diese wird mit der geplanten digitalen Vernetzung zwischen dem ambulanten Bereitschaftsdienst (116 117) und den Rettungsleitstellen (112) sowie der Ermöglichung einer klaren und rechtssicheren Überleitung von Hilfesuchenden mit standardisierter Ersteinschätzung gestärkt.“

Ebenso begrüßen die beiden Ärztevertreter „das Bekenntnis zum Sicherstellungsauftrag der KVen, nämlich, dass die Vermittlung von Akutpatientinnen und -patienten weiterhin vorrangig in die vertragsärztliche Versorgung erfolgen soll. Vielen Erkrankten kann bereits ambulant durch unsere Vertragsärztinnen und Vertragsärzte geholfen werden. Eine entsprechende pauschale Vorhaltefinanzierung für die Strukturen der Terminservicestellen (TSS), über die die Patientensteuerung erfolgt, ist daher folgerichtig.“

 

Eine Vorhaltefinanzierung sei auch für die ambulante Notfallversorgung notwendig, um die Notdienstpraxen selbst, aber auch die Gehälter für Medizinische Fachangestellte und Bereitschaftsärztinnen und -ärzte bezahlen zu können, heißt es weiter: „Ein Schritt in die richtige Richtung wäre dabei zweifelsohne auch die konsequente Umsetzung des Paragraphen 105 Abs.1b SGB V, der die Kostenträger für zusätzliche Gelder – zweckgebunden für die Förderung regionaler Notdienststrukturen – verpflichtet.“

 

Doch es gibt auch Kritik: Eine 24/7-Versorgung sei „personell nicht leistbar, zum einen, da die Niedergelassenen in ihren Praxen gebraucht werden. Zum anderem würden so ein weiteres Mal unwirtschaftliche Parallelstrukturen aufgebaut. Die ambulante Versorgung findet nach wie vor hauptsächlich in den Praxen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten statt! Auch haben wir aus Modellprojekten im Rheinland – wie etwa unserer kinderärztlichen Videosprechstunde – die Erkenntnis ziehen können, dass für eine ambulante Rund-um-die-Uhr-Voll-Versorgung faktisch gar kein Bedarf besteht. Hier sollten künftig unbedingt flexible (telemedizinische) Versorgungslösungen /-anwendungen möglich sein – basierend auf belastbaren bzw. messbaren regionalen Versorgungsanalysen.“

 

Zusammenstellung: Achim Kaemmerer

Foto: St.Ferrario/Pixabay

 


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