Gewerkschaften beklagen zu hohe Belastungen im Schichtdienst und zu kurze Ruhezeiten
Deutsche Bahn, Flughäfen, ÖPNV – im gesamten Verkehrssektor stehen derzeit teilweise die Räder still, weil sich Arbeitgeber und Gewerkschaften wegen neuer Tarifverträge auseinandersetzen. Zuletzt hatte ver.di am Donnerstag, 15. Februar 2024, zu einem ganztägigen Warnstreik bei den kommunalen Bus- und Bahn-Gesellschaften aufgerufen.
Worum geht es dabei eigentlich? Jedenfalls nicht nur um mehr Geld, wie uns Heiko Göbel, Landesvorsitzender der beteiligten Nahverkehrsgewerkschaft (NahVG) erklärt.
Was fordern die Gewerkschaften?
Die Arbeit im ÖPNV – vom Fahrdienst über die Werkstätten bis in die Verwaltung – seien „sehr belastend und chronisch unterbezahlt“, sagt Göbel, der deshalb Personalmangel befürchtet.
Für die Fahrerinnen und Fahrer bedeutet dies u.a.:
- Ständiger Wechsel der Früh-, Spät- und Nachtschichten – die NahVG fordert deshalb eine Zulage
- Die Schichten starten und enden meistens nicht an denselben Abfahrts- und Zielorten. Die Fahrerinnen und Fahrer müssen dann wieder selbstständig zurück fahren.
Die NahVG fordert daher: diese Zeiten sollen in die Arbeitszeit eingerechnet und vergütet werden. - Nicht verschuldete Verspätungen (z.B. wegen dichten Verkehrs) werden erst ab der 16. Minute vergütet. Die NahVG fordert: Bezahlung der Verspätung ab der ersten Minute.
- Wendezeiten an den Endstellen werden teilweise als „unbezahlte Zeit abgezogen“. Die NahVG fordert: Volle Bezahlung der Wendezeiten.
- Unter diesen Umständen hätten viele Fahrerinnen und Fahrer nur eine Mindest-Ruhezeit von zehn Stunden zwischen zwei Diensten. Dies reiche nicht zur Erholung. Die NahVG fordert eine Mindest-Ruhezeit von zwölf Stunden.
- Zuletzt fordert die NahVG: Überstunden in der Stufe 6 (3324,50 Euro) statt Gruppe 5 (2646,18 Euro) vergüten.
Was sagen die Arbeitgeber?
Wir fragen beim Kommunalen Arbeitgeberverband NRW (KAV NW) nach.
Ein Pressesprecher erklärt uns, dass zum 1. März 2024 die Tabellenentgelte für die Beschäftigten im ÖPNV um rd. 11,5 Prozent steigen; beim Fahrpersonal sogar um 13 Prozent: Wegen der „engen finanziellen Rahmenbedingungen im ÖPNV“ sei nun „der Verhandlungsspielraum für weitere kostenintensive Gewerkschaftsforderungen begrenzt“.
Auch die Gewerkschaftsforderung nach zusätzlicher Freizeit sei „kritisch zu sehen, da dann angesichts des bestehenden Fahrermangels die anderen Fahrerinnen und Fahrer mehr belastet würden“, heißt es weiter. „Das kann nicht die Lösung sein. Ziel müsste es eher sein, unter Berücksichtigung von work-life-balance-Aspekten tarifvertragliche Anreizregelungen zu vereinbaren, die die Arbeitszeitproduktivität erhöhen, um dem Ziel der Aufrechterhaltung der Verkehrsleistungen gerecht werden zu können.“
Würden die Forderungen nach Entlastungen umgesetzt werden, führe dies „zu einem Weniger an zur Verfügung stehendem Arbeitsvolumen und damit zu einem Mehrbedarf an Fahrerinnen und Fahrern – der trotz intensiver Bemühungen der Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt derzeit schlichtweg nicht abzudecken ist“.
Auch bei der Rheinbahn haben wir angefragt: Wäre es nicht möglich, betriebsintern die Probleme mit den Schichten und Ruhezeiten zu regeln?
Antwort der Pressestelle: „Natürlich versuchen wir, die Dienste so zu gestalten, dass sie für unsere Fahrerinnen und Fahrer möglichst gut passen. Dabei hilft uns auch der Betriebsrat, den wir bei Fragen rund um die Gestaltung der Dienstpläne mit einbeziehen. Leider ist es aus planerischen und organisatorischen Gründen nicht immer möglich, dass die Schicht an der gleichen Ablösestelle endet, wo sie begonnen hat. Prinzipiell sind die Ablösestellen aber, neben unseren Betriebshöfen, zentrale Knotenpunkte im Netz – wie der Hauptbahnhof oder die Heinrich-Heine-Allee.“
Wie geht es nun weiter?
Im März 2024 werde es einen weiteren Verhandlungstermin geben. Streiks seien bis dahin für den KAV NW nicht nachvollziehbar und „allenfalls unter dem Aspekt der Mitgliederwerbung der Gewerkschaften erklärbar“, so der KAV-Sprecher.
Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: anzeiger24.de
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