Was bedeutet das für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?
Der in Deutschland geltende Mindestlohn wird zum 1. Oktober 2022 einmalig auf einen Bruttostundenlohn von 12 Euro erhöht. Das hat der Bundestag – bei Enthaltung von CDU/CSU und AfD – am Freitag, 3. Juni 2022, in zweiter Beratung beschlossen.
In der Abstimmungsvorlage heißt es weiter:
„Künftig orientiert sich die Geringfügigkeitsgrenze an einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zu Mindestlohnbedingungen. Sie wird dementsprechend mit der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 520 Euro monatlich erhöht und dynamisch ausgestaltet. Zugleich werden Maßnahmen getroffen, die die Aufnahme einer sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung fördern und verhindern helfen, dass Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht werden.“
Mehr Netto für Beschäftgte?
Außerdem gilt ab Oktober: „Die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich wird von monatlich 1.300 Euro auf 1.600 Euro angehoben. Diese Maßnahme trägt nicht nur dem Anstieg der Löhne und Gehälter Rechnung, sondern bewirkt eine weitergehende Entlastung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten mit geringem Arbeitsentgelt als bisher. Zudem werden Beschäftigte im unteren Übergangsbereich noch stärker entlastet, um den Belastungssprung an der Geringfügigkeitsgrenze beim Übergang in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu glätten und damit die Anreize für geringfügig Beschäftigte zu erhöhen, ihre Arbeitszeit über einen Minijob hinaus auszuweiten. Dazu wird der Arbeitgeberbeitrag oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze zunächst auf die für einen Minijob zu leistenden Pauschalbeiträge in Höhe von 28 Prozent angeglichen und gleitend auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag abgeschmolzen. Aus Sicht betroffener Arbeitgeber hat dies einen transparenten und linear verlaufenden Tarif zur Folge, aus Sicht der Beschäftigten folgt einem höheren Bruttolohn dann zumindest vor Steuern auch ein höherer Nettolohn, so dass sich Mehrarbeit für die Beschäftigten lohnt und nicht durch einen überproportionalen Anstieg ihrer Beitragsbelastung entwertet wird.“
Arbeitgeberverband: „Staatslohnsetzung ist ein Eingriff in die Tarifautonomie“
Erwartungsgemäß ist der Arbeitgeberverband BDA nicht begeistert. Bereits Mitte Mai erklärte Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter: „Der Gesetzentwurf zum Mindestlohn ist der grundlegendste Angriff auf die Tarifvertragsautonomie in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Grundgesetz überlässt es den Tarifvertragsparteien, Löhne und Arbeitsbedingungen zu gestalten. (…) Das soll nun um der Koalitionsdisziplin willen beendet werden. Der Gesetzentwurf beschreitet den Weg, anstelle der Tariflohnsetzung eine Staatslohnsetzung einzuführen.“
Außerdem kritisiert er die Mindestlohnkommission: „Die Kommission hat (…) den Mindestlohn von 8,50 Euro auf im Juli 10,45 Euro angehoben – einmütig und die unterschiedlichen Interessen befriedend. Jetzt soll der Mindestlohn in einem Schritt um 15 Prozent angehoben werden. Man muss sich ernsthaft fragen, welchen Sinn eine Kommission macht, wenn die Politik sich einseitig auf eine Seite stellt und die langjährige Arbeit der Kommission regelrecht mit Füßen tritt. Zwei Gutachten haben überzeugend dargelegt, dass es erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an dem Vorgehen der Politik gibt. Zum einem wird das Vertrauen in die Bereitschaft der Arbeitgeber massiv verletzt, sich an der Arbeit der Kommission zu beteiligen. Zum anderen wird übermäßig in Tarifautonomie und Berufsfreiheit eingegriffen.“
Gewerkschaftsbund: „Wichtiger Schritt gegen Armut, aber mehr Minijobs sind ein Irrweg“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund dagegen begrüßt die Entscheidung im Bundestag, lehnt aber die Erhöhung der Minijob-Grenze ab.
Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied: „Der Mindestlohn war bei seiner Einführung im Niveau zu niedrig angesetzt. Mit der Erhöhung auf 12 Euro erhalten rund 6,2 Millionen Beschäftigte mehr Anerkennung für ihre Arbeit. Das ist auch ein wichtiger Schritt, um später im Rentenalter Armut zu mindern. (…) Auch auf die Konjunktur wird sich die Erhöhung positiv auswirken, denn ein Großteil der zusätzlichen Einkommen wird unmittelbar in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen. Die Gewerkschaften setzen sich auch künftig in der Mindestlohnkommission dafür ein, den Mindestlohn weiterzuentwickeln und ihn armutsfest zu gestalten. Der Fokus der Gewerkschaften liegt jedoch nach wie vor auf Tarifverhandlungen. Wir wollen mit den Arbeitgebern mehr Tarifverträge mit guten Löhnen abschließen. Wo das nicht geht, ist eben der Mindestlohn als unterste Haltelinie wichtig. Für weniger Geld darf in Deutschland niemand arbeiten.“
DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel ergänzt: „Haben sich Beschäftigte mit Minijob gegen die optionale Rentenversicherungspflicht entschieden, drohen auch bei der Rente Nachteile: Gerade für diejenigen, die in ihrer Erwerbsbiographie nahezu ausschließlich im Minijob arbeiten, ist das ein sicheres Ticket in die Altersarmut – überwiegend trifft das Frauen. In einer Umfrage des DGB fordern deshalb zurecht zwei Drittel der Befragten Sozialversicherungsschutz ab dem ersten Euro. Mit der Erhöhung der Einkommensgrenze ignoriert die Koalition Armutsrisiken.
Mit Blick auf den akuten Fachkräftemangel, soziale Absicherung und Gleichstellung sind noch mehr Minijobs ein Irrweg: Falsche Anreize, Arbeitszeit zu begrenzen entwerten auch den Wert von Qualifikation und Weiterbildung und halten unzählige Frauen von einer eigenständigen existenzsichernden Beschäftigung ab. Minijobs sind eben kein taugliches Sprungbrett in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, sondern für zu viele eine berufliche Sackgasse.“
Quelle: Bundestag / PM BDA und DGB
Foto: Peter Stanic/Pixabay
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