„Der Haans – eine etwas andere Art von „Biographie“

Zum Abschluss eine kleine Geschichte

Das Jubiläumsjahr „100 Jahre Stadtrechte Haan“ ohne große Feierlichkeiten zu Ende. Die sollen erst im Mai 2022 – so Corona es zulässt – stattfinden. Einzelne kleinere Aktionen konnte die Stadt dennoch durchführen, wozu die Schreibwerkstatt mit der Haaner Autorin Bettina Lausen gehörte. Dort ist eine tolle Geschichte entstanden, die uns die Stadt zur Veröffentlichung zukommen ließ:

„Der Haans – eine etwas andere Art von „Biographie“ (Autorin: Renate Wüsthoff)

„Lange Zeit glaubte ich, dass ich meine Existenz einem Rechtschreibfehler verdanke. Sicherlich kennt jeder einen HANS, sei es die im Dauerglück befindliche Märchenfigur, sei es den sprichwörtlich durch alle Gassen Dampfenden oder den Jungen, der ständig in die Luft guckt. Aber irgendwie rutschte der „falsche“ Doppelvokal in den Namen, und so wurde ich ins Leben gerufen: der HAANS.

 

Mein Aussehen scheint so bemerkenswert zu sein, dass ich jahrelang an verschiedenen Orten in Ausstellungen und Museen den interessierten Besuchern präsentiert wurde, bis ich endlich meinen dauerhaften Platz auf einer Bank unter einem großen Kastanienbaum einnehmen konnte.

 

Auch wenn ich in der Einzahl spreche, bin ich keinesfalls singulär, weil es von mir mehrere …. die Menschen würden sagen: „Klone“ gibt. Ich bevorzuge den Ausdruck „Brüder im Schweiße“, denn darin klingt das komplizierte Verfahren unserer Herstellung und Vervielfältigung an.

Wir unterscheiden uns in Größe und Farbe: Während ich in dunklem Blau erstrahle – na ja, an einigen Stellen ist es etwas abgeblättert -, leuchten andere Exemplare in Rot oder Grün. Ein etwas überheblicher Verwandter residiert auf dem Sockel in einem Geldinstitut. Natürlich weiß er über Aktien und Börsenkurse Bescheid, aber ich liebe die frische Luft und den Wechsel der Jahreszeiten um mich herum. Obwohl ich es niemals offen zugeben würde, beneide ich im Frühling den ROT-HAANS ein bisschen um seinen Standort. Er thront dann nämlich über einem üppigen gelben Narzissenbeet auf seiner Verkehrsinsel.

 

Ansonsten möchte ich mit keinem meiner Artgenossen tauschen, denn ich bin der einzige mit einer Gefährtin an seiner Seite. Sie hat mir den schrecklichsten und glücklichsten Moment in meinem Dasein beschert, und das kam folgendermaßen:

Vor etwa 15 Jahren wurde meine Einsamkeit dadurch beendet, dass die prachtvolle HAANI neben mir auf der runden Bank Platz nahm. Aber kaum hatten wir uns aneinander gewöhnt, musste ich eines Nachts mit ansehen, wie sie von finsteren Gestalten erst demoliert und dann demontiert wurde, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen konnte. Mein ohnehin stahlharter Körper erstarrte vor Entsetzen und Regentropfen rannen anstelle von Tränen an mir herab. Doch nach wenigen Wochen der Isolation konnte ich mein Glück kaum fassen: Neben mir lehnte aufs Neue, nein: keine Ersatz-Figur, sondern eine wunderschöne, verjüngte HAANI-BLUE, und seitdem sind wir beiden unzertrennlich. 

 

Wir tauschen uns über unsere Beobachtungen aus, denn es gibt immer viel zu sehen: den Straßenverkehr, eilige Passanten mit vollen Einkaufskörben oder spielende Kinder.

Sobald abends mit der Dunkelheit der Trubel verebbt, begeben auch wir beide uns zur Ruhe. Nur ab und zu ertönt im Herbst das leise Klick einer auf den Boden fallenden Kastanie, und manchmal landet sogar eine auf meinem Schädel.

 

O je, fast hätte ich das Wichtigste vergessen – es gilt ja noch den Irrtum mit dem „Rechtschreibfehler“ aufzuklären: 

Im Laufe der Zeit stellte sich zu meiner Erleichterung heraus, dass mein Dasein keineswegs auf einem Missgeschick beruht, sondern dass der allseits bekannte Vorname absichtlich für mich abgewandelt wurde, damit sich ein kleines Städtchen darin verbirgt, dessen Maskottchen ich sein darf. Das erfüllt mich mit Stolz, denn was die Kleine Meerjungfrau für Kopenhagen, der Bär für Berlin und das Manneken Piss für Brüssel sind, das bin ich für

                                                                      HAAN!“

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